Fachakademie der Schulstiftung Seligenthal Jahresbericht 2020/2021 e d . l a h t n e g i l e s . w w w

Inhalt Fachakademie der Schulstiftung Seligenthal Jahresbericht 2020/21 3 Inhalt Seiten Kapitel 04–09 04 Vorwort Grußwort Äbtissin Sr. M. Petra Articus Grußwort Fritz Wittmann Zum Geleit: Dr. Stefan Brembeck 06 08 10–25 Wir sind die FAKS 10 12 Schulleitung, Lehrkräfte und Mitarbeiter Verein der Freunde und Förderer der Fachakademie Schulforum, SMV Neu im Team SPS 1. Klassen SPS 2. Klassen OptiPrax Vollzeit 1. Klassen Vollzeit 2. Klassen Berufspraktikum Seligenthaler Modell 12 13 16 17 20 20 22 23 25 26–37 Wir üben Distanz 26 Wenn Märchen wahr werden – „Es war einmal Corona …“ Seiten Kapitel 28 Vom Traum zum Albtraum – Erlebnisbericht einer Studierenden zum Distanz-Unterricht Gedanken zweier Lehrkräfte zur Digitalisierung von Unterricht Wir haben viel gutzumachen – Ausblick des Schulleiters Off the walls – Ergebnisse einer Einladung aus dem Kunstunterricht, Kunst zu Hause nachzustellen 29 31 32 44 48 50 52 54 38–41 Wir werden Erzieher*innen Liebeserklärungen an einen 38 verantwortungsvollen Beruf 42–53 Wir sagen Ade 42 Abschied von pädagogischen Gewohnheitswörtern Erinnerungen an 28 Jahre SPS Abschlussfeier SPS 2 Entlassfeier Berufspraktikum Abschied von Kolleg*innen Letzte Seite

Fachakademie der Schulstiftung Seligenthal Jahresbericht 2020/21 5 gogen Hans A. Pestalozzi „Ein Kind erziehen heißt: sich entbehrlich machen und zur Verantwortung erziehen“ zu eigen machen. Das bedeutet dann trotz Nähe und Da- sein für das Kind, dass wir das Kind als eigenständige Persönlichkeit mit seiner ganzen von Gott geschenkten Würde sehen und annehmen, das jeweilige individuelle Selbstbe- wusstsein fördern, damit es seine Eigenkräfte einsetzen lernt, sich Entscheidungen zutrauen kann, mit anderen konstruktiv zusammen spielen und später zusammenar- beiten kann, nicht nur an sich selbst denkt, sondern auch für andere da sein kann. Gleichzeitig soll das Kind erfahren dürfen, wer sich engagiert einsetzt, seine Fähigkeiten einbringt und sieht, wo etwas bewirkt werden kann und soll, dem können Fehler unterlaufen, der kann etwas falsch oder kaputt machen, ohne gleich verurteilt zu werden. Für die Kinder und auch für Sie als Erzieher*in sollte immer gelten: Aus Versagen, aus Fehlern kann man etwas lernen, gestärkt und eventuell manchmal auch ein wenig bescheidener etwas erneut versuchen. So wünsche ich Ihnen, liebe Berufs- praktikant*innen, reichen Segen, dass Sie sich verwirklichen und Ihre Kompetenzen in Ihren Einrichtun- gen umsetzen können, Sie in Ihrem Beruf viel Freude erleben durch eine gelungene Erziehung der Kin- der und durch die Zufriedenheit, die ein voller Einsatz für diese mit sich bringt. Ihre M. Petra Articus O. Cist.

Fachakademie der Schulstiftung Seligenthal Jahresbericht 2020/21 7 wunsch Ihnen, die Sie gerade er- folgreich Ihren Abschluss erlangt haben. Nach wie vor sind Sie für ei- nen Bereich qualifiziert, der in der Corona-Zeit nochmals deutlich als absolut „systemrelevant“ deklariert wurde – die öffentliche Wertschät- zung ist gestiegen und Ihre Berufs- chancen sind hervorragend. Für Ihre weitere private und berufliche Zukunft wünsche ich Ihnen alles Gute und Gottes Segen! Mein weiterer Dank gilt allen Mit- gliedern der Schulfamilie, die sich zusätzlich aktiv an der Weiterent- wicklung der Fachakademie be- teiligt haben. Dazu zählen die en- gagierten „Ehemaligen“ sowie der hilfreiche Förderverein, ohne dessen verlässliche Unterstützung vieles an der Schule nicht hätte realisiert werden können – den Absolventin- nen und Absolventen kann ich den Verein persönlich nur sehr ans Herz legen. Abschließend gilt mein Dank noch ausdrücklich Frau Äbtissin M. Petra Articus und allen Schwestern der Abtei Seligenthal. Auch in diesem Jahr haben Sie uns verlässlich durch Ihren Rat, durch das Gebet, aber auch durch finanzielle und organisatorische Unterstützung begleitet – ein herzliches Vergelt’s Gott dafür. Mit freundlichen Grüßen Fritz Wittmann Vorstandsvorsitzender Schulstiftung Seligenthal

Fachakademie der Schulstiftung Seligenthal Jahresbericht 2020/21 9 dinatorin für das SPS und gemeinsam mit Ber- nadette Lehner für OptiPrax zuständig ist; Anja Voerkelius als neue Koordinatorin für das Be- rufspraktikum und die fachpraktische Ausbil- dung der Studierenden. Ihnen, Frau Voerkelius, sage ich Dank für die Bereitschaft, diese gewich- tige Aufgabe bereits im letzten Drittel dieses Schuljahres übernommen zu haben. Ich wün- sche Ihnen viel Erfolg im neuen Amt und freue mich auf die weitere gute Zusammenarbeit. Ohne die enge und vertrauensvolle Zusammen- arbeit mit dem Leitungsteam wäre vieles in die- sen schwierigen Zeiten nicht möglich gewesen, Danke dafür! Dasselbe gilt für unsere Verwaltungsmitarbei- terinnen Kerstin Rettig und Naiomi Reche. Sie mussten nicht nur die regulären Arbeiten be- wältigen, sondern waren auch bei vielen ande- ren neuen Aufgaben ausgesprochen gefordert. Herzlichen Dank! Mein Dank gilt auch unserem Technischen Dienst mit Betriebsleiter Johannes Hütter und seinen Mitarbeitern, unserem Sys- temadministrator Thomas Rauscher, der Schul- stiftung Seligenthal mit ihrem Geschäftsführer Carsten Riegert und seinen Mitarbeiter*innen und der Abtei Seligenthal mit Äbtissin M. Petra Articus und dem gesamten Konvent. Sie alle er- möglichen uns das Fundament für ein gelingen- des Arbeiten. Wir wissen das sehr zu schätzen, vielen Dank! Auch das neue Schuljahr wird wieder Heraus- forderungen mit sich bringen: n Die Erzieherausbildung wurde auf max. vier Jahre verkürzt, das zweijährige Sozialpädagogi- sche Seminar wird zugunsten eines einjährigen Sozialpädagogischen Einführungsjahrs abge- schafft. Wir starten im Schuljahr 2021/22 bereits mit dem SEJ und führen zugleich das SPS 2 zu Ende. Ich hoffe, dass die vielfältigen organisato- rischen Planungen aufgehen, um diesen Doppel- jahrgang gut meistern zu können. n Im Rahmen unserer Beteiligung am EU-geför- derten UIA-Projekt der Stadt Landshut1 werden wir die Schule und unsere Ausbildungen sukzes- sive zertifizieren lassen. Wir schaffen damit die Voraussetzung, für bestimmte Personengruppen die Ausbildung mit Bildungsgutscheinen finan- zieren zu können. n Die Zertifizierung erlaubt es uns auch, voraus- sichtlich ab dem Schuljahr 2022/23 die Ausbil- dung zur „Pädagogischen Fachkraft für Grund- schulkindbetreuung“ anzubieten. Vor dem Hintergrund des Rechtsanspruches auf Ganz- tagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter ab 2026 müssen wir als Fachakademie unseren Beitrag dazu leisten. Die Erzieherausbildung hat in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung und Format – auch im Bewusstsein von Politik und Gesellschaft – gewonnen. Ein Zeichen dafür ist, dass wir heuer unseren Absolvent*innen zum ersten Mal die Zeugnisbemerkung „Bachelor professional im Sozialwesen“ vergeben durften. Damit wird die Ausbildung noch attraktiver, durch die englische Bezeichnung hat man mehr Vorteile auf dem globalen Arbeitsmarkt, und schließlich wird in Anlehnung an akademische Titel wie „Bachelor of Arts/Science“ der Meisterstatus einer Auf- stiegsfortbildung im Ausbildungsberuf betont. Das ist ein echter Mehrwert! Nun wünsche ich allen Gottes reichen Segen: „Bis wir uns wiedersehen, halte Gott dich fest in seiner Hand.“ Dr. Stefan Brembeck Schulleiter j e r a c - d n a - e m o h - t k e o r p t o l i p - u e / g n u u e r t e b s e g a t r e d n k / e h c i l d n e g u j - r e d n k / n e b e l / e d . t u h s d n a l . i i w w w / / : s p t t h 1

Schulleitung | Lehrkräfte | Mitarbeiter Fachakademie der Schulstiftung Seligenthal Jahresbericht 2020/21 11 Pickal Angelika Praxisbetreuung SPS Raab Veronika Englisch, Deutsch, Literatur- und Medien- pädagogik, Klassenleitung F 1b Reitmeier Stefanie Praxis- und Methodenlehre mit Gesprächs- führung, Sozialpädagogische Praxis, Übun- gen zur Entspannungspädagogik, Übungen zur Jugendarbeit, Praxisbetreuung BP, Beratungslehrkraft Dr. Schreyer Udo Pädagogik/Psychologie/Heilpädagogik, Klassenleitung F 2b, Verbindungslehrkraft, Fachbetreuung Pädagogik/Psychologie/ Heilpädagogik Schweiger Erich Pädagogik/Psychologie/Heilpädagogik, Übungen zum Umgang mit belasteten Kindern, Schulpsychologe Seitz Gerlinde Rhythmik, Übungen zur Krippenpädagogik, Praxisbetreuung BP Spranger Melanie Theologie/Religionspädagogik (kath.), Klas- senleitung F 1a, Übungen zur Religionspä- dagogik Stockner Johanna Praxis- und Methodenlehre mit Gesprächs- führung, Klassenleitung SPS 2a, Sozial- pädagogische Praxis SPS, Übungen zur Inklusion Strasser Elisabeth Politik und Gesellschaft/Soziologie, Deutsch, Klassenleitung F 2a, Jahresbe- richt, Koordination Öffentlichkeitsarbeit Strebl Martha Ökologie- und Gesundheitspädagogik, Naturwissenschaft und Gesundheit Viertlböck Annette Deutsch, Theologie und Religionspädagogik (kath.) Voerkelius Anja Praxis- und Methodenlehre mit Gesprächs- führung, Sozialpädagogische Praxis, Übungen zum Organisationsmanagement, Übungen zur beruflichen Identität, Praxis- betreuung BP und OptiPrax Zeilhofer Martha Praxisbetreuung OptiPrax, Übungen zur beruflichen Identität, Praxisbetreuung BP

Neu im Team Herzlich willkommen! Sieben auf einen Streich Gleich sieben neue Kolleg*innen sind es, die in diesem Schuljahr zu uns an die Fachakademie gekommen sind. Wir freuen uns, dass sie da sind, und sind neugierig auf ihre persönli- chen Erfahrungshintergründe und Fachperspektiven. Deshalb haben wir einfach mal bei ihnen nachgefragt: Manuela Ammer-Knoll Seit Sep- tember 2020 un- terrichtest du bei uns das Fach Pädago- gik/Psy- chologie/ Heilpäda- gogik. Bis- her kann- test du unsere Schule nur aus Sicht einer Studierenden, die hier ihre Ausbildung zur Erzieherin gemacht hat. Mit welchem Vorurteil über Lehrer*innen müsste man mal dringend aufräumen? Natürlich ist es schon ein bisschen her, dass ich selbst Schülerin an der Fachakademie war – seither hat sich viel verändert und einiges doch nicht. Damals war es noch ein gängiges Vor- urteil, dass wir an der Fachakademie nur Basteln, Singen und Gitarrespielen lernen würden. Die Sicht auf die Aus- bildung hat sich zum Glück geändert. Trotzdem ist die Fachakademie nach wie vor ein ganz besonderes Umfeld, das sich durchaus von anderen Schu- len unterscheidet. Dies betrifft auch die Lehrerschaft, denn gängige Vorurteile über Lehrer sind mir hier nur wenige Fachakademie der Schulstiftung Seligenthal Jahresbericht 2020/21 13 begegnet. Ich hatte und habe immer das Gefühl, hier steht der Mensch im Mittelpunkt. Besonders schön ist es für mich, dass ich einige meiner damali- gen Lehrerinnen nun auch als Kolle- ginnen erleben darf. Ich sehe jetzt, welch großer Aufwand hinter den Un- terrichtsstunden steht, den großen Einsatz für die Schüler*innen habe ich aber auch damals schon gesehen. An ein großes Vorurteil über unsere Lehrkräfte von damals kann ich mich jedoch noch gut erinnern: „Die SozPäds tragen nur Birkenstock-Schuhe.“ – Mit diesem Klischee hätte ich wahrlich gerne aufgeräumt, doch mittlerweile sind sie modern geworden! Richard Deller Du bist seit dem Schuljahr 2020/21 stellvertretender Schulleiter an unserer Fachakademie. Zu deinen Aufgaben ge- hört es, planerisch umzusetzen, was die Politik und hier v. a. das Kultusministe- rium den Schulen vorgibt, angefangen bei unzähligen Corona-Verordnungen bis hin zur Veränderung der Erzieherausbildung. Wenn du in den letzten Monaten für einen Tag bayerischer Kultusminister gewesen wärst: Welche Entscheidung hättest du gerne (anders) getroffen? Da fallen mir spontan drei Punkte ein: Erstens: Ich bin kein Freund des Wech- selunterrichts. Wir unterrichten hier an weiterführenden Schulen. Entweder sind alle in Präsenz anwesend oder alle sind im Distanzunterricht. Mit Wechselunterricht kann man keinem der beteiligten Akteure letztlich ge- recht werden. Zweitens: Kultusminister Prof. Piazolo lobt die hervorragenden bayerischen Schulleiter*innen mit ihren jahrelan- gen Erfahrungen, die in dieser außer- gewöhnlichen Zeit schnell, unkompli- ziert und besonnen agieren. Letztlich lässt er uns Schul- leiter*in- nen aber doch keine Hand- lungsfrei- heit, und wir müs- sen sehr schnell reagieren, wenn kurz vor dem Wochen- oder Feri- enende unzählige Schreiben aus dem Kultusministerium dirigistisch an die Schulen verschickt werden. Das macht leider die erste Aussage zunichte. Drittens: Die Abschaffung des zweijäh- rigen Sozialpädagogischen Seminars (SPS) und die Einführung des einjähri- gen Sozialpädagogischen Einführungs- jahrs (SEJ) verkürzt die Erzieher*in- nenausbildung von fünf auf vier Jahre. Das sieht auf den ersten Blick sehr positiv aus und war auch politisch ge- wollt. Während das SPS mit einem Berufsabschluss zur/zum Kinderpfle- ger*in endet, führt das SEJ zu keinem Abschluss. Unter Umständen müssen also Studierende, die dieses Jahr nicht schaffen, an eine Berufsfachschule für Kinderpflege geschickt werden. Dort können sie dann in das zweite Ausbil- dungsjahr einsteigen und nach einem weiteren Ausbildungsjahr den gleichen Abschluss wie im SPS erwerben. Dem stehe ich kritisch gegenüber, da ich nichts von Ausbildungen ohne Ab- schluss halte. Zudem müssten wir dann unsere eigenen Studierenden an eine andere Schule schicken, da wir keine Berufsfachschule für Kinder- pflege im Schulzentrum führen. Es ist nicht davon auszugehen, dass wir die- se Abgänger*innen später wieder zu- rückgewinnen. In vielen Fällen wäre

Neu im Team den jeweiligen Praktikumseinrichtun- gen aussieht und was sie gerade brau- chen. Natürlich habe ich mir hin und wieder gewünscht, mich kurz im Lehrer- zimmer austauschen zu können, ohne MS-Teams-Klingelton, einfach „mal schnell vorbeischauen“. Aber viele Kol- leg*innen und Mitarbeiter*innen haben mich sehr unterstützt und immer ein offenes (E-Mail-)Ohr gehabt – vielen Dank dafür! Ich habe den Eindruck ei- ner herzlichen, engagierten Schulge- meinschaft gewonnen und freue mich bereits auf das neue Schuljahr! Annette Karl Du bist selbst Erzieherin, Traumafach- pädagogin und leitest einen Kindergar- ten. Seit September 2020 betreust und begleitest du außerdem als Praxislehr- kraft eine Gruppe von Berufsprakti- kant*innen in ihrem letzten Ausbildungs- jahr. Warum sollte ein junger Mensch heute Erzieher*in werden? Es ist – oder besser gesagt es war – wirklich so, dass viele Eltern dachten, Erzieher*innen spielen den ganzen Tag ein bisschen mit den Kindern, trinken Kaffee und essen Kuchen. Das ist na- türlich Quatsch. In Kitas und Kinder- gärten kommt es auf viel mehr an. Die Bildungsarbeit im Vorschulalter ist von extrem hoher Bedeutung: Moderne Hirnforschung bestätigt immer wieder, dass sich gerade in der frühen Kindheit wesentliche Bildungsprozesse abspie- len. Die richtige Herangehensweise, Bildungsangebote sowie Wertevermitt- lung bereiten den Weg für das spätere Leben der Kinder. Erzieher*innen wer- den junge Menschen anvertraut, die für Eindrücke und Vorbilder von außen sehr empfänglich sind. Dadurch ver- mitteln sie ihnen grundlegende Werte und Basiskompetenzen. Erzieher*in- nen brauchen eine Menge Geduld und Einfüh- lungsver- mögen, sie sollen über ein starkes Verant- wortungs- bewusst- sein ver- fügen. Kinder und Jugendliche sind die Zu- kunft unserer Gesellschaft, und Erzie- her*innen gestalten diese Zukunft di- rekt mit und übernehmen so eine wich- tige gesellschaftliche Aufgabe, die leider immer mehr in Vergessenheit gerät. Johanna Stockner Du bist von deiner Ausbildung her nicht nur Erzieherin, sondern auch Heilpäda- gogin, und unterrichtest bei uns deshalb nicht nur das Fach PML, sondern zudem Übungen zur Inklusion. Dein Herz schlägt für die Inklusion. Welche Möglichkeiten siehst du, die Ausbildung zur Erzieher*in inklusiver zu gestalten, also auch Men- schen mit bestimmten Beeinträchtigun- gen den Zugang zu einer Ausbildung in diesem Bereich zu ermöglichen? Hier stellt sich grundsätzlich die Frage nach der Definition, wer aufgrund wel- cher Kriterien dieser Personengruppe zugeordnet wird. Wir haben im Übungs- fach Inklusion über klassifizierte Krankheitsbilder ebenso gesprochen wie über gesellschaftlich weit verbrei- tete Zuordnungen aufgrund äußerer Merkmale eines Menschen. Wenn sich ein Mensch an unserer Schule bewirbt mit dem Wunsch, im sozialpädagogi- schen Bereich tätig zu werden, muss seine Eignung im Hinblick auf das Aus- bildungskonzept und umgekehrt ge- prüft werden. Was bedeutet eine kör- perliche Beeinträchtigung für den Fachakademie der Schulstiftung Seligenthal Jahresbericht 2020/21 15 Erfolg der Ausbildung? Welche Krite- rien wenden wir an, wenn er/sie mit Down-Syndrom lebt, wenn technische Lehrmittel zur Teilnahme eine wichtige Rolle spielen, wenn die Sprache Deutsch nicht als ausreichend bewer- tet wird oder der Mensch in psychothe- rapeutischer Behandlung ist? Ich denke, dass wir hierzu eine Auseinan- dersetzung führen müssen. Von der Bereitschaft, sich grundsätzlich sensi- bel mit der Entwicklung von Menschen, die bereits an der Schule sind, aus- einanderzusetzen bis hin zu einer be- wussten Aufnahme von Menschen, die „einem beeinträchtigten Personen- kreis“ zugeordnet werden, zeigt sich ein Weg. Das Miteinander, das ich in der Schulfamilie Seligenthal erlebe, insbesondere die vielfältigen Zugangs- möglichkeiten, sind meines Erachtens sinnvolle Wegweiser. Die Zeit ist reif, um sich über ein Pflichtfach Inklusion ohne klas- sische Leistungs- nachwei- se Gedan- ken zu machen. Stellen wir uns vor, dass dieses Fach von einem Menschen mit Beein- trächtigung begleitet wird. Mahatma Gandhi hat mit einem Satz zum Aus- druck gebracht, warum nicht nur mein Herz für Inklusion schlägt, sondern auch das Herz einer Fachakademie für Sozialpädagogik: „Unsere Fähigkeit, eine Einheit in der Vielfalt zu erreichen, wird das Meisterstück und die Bewäh- rungsprobe unserer Zivilisation sein.“ Interviews: Elisabeth Strasser

Wenn Märchen wahr werden Fachakademie der Schulstiftung Seligenthal Jahresbericht 2020/21 die uns beim Auslesen, ob positiv oder negativ, geholfen hät- ten! Riesige Mengen an Corona-Test-Kits waren Mitte April nach Seligenthal geliefert worden, und wir wurden zu erfahrenen und routinierten Schnelltester*innen. Dabei er- lebten wir zusammen die Anspannung, die in der Praxis für viele Kleinkinder, Schulkinder, Jugendliche und zu betreu- ende Erwachsene mit Sicherheit eine emotionale Herausfor- derung darstellte. Werde ich heimgeschickt? Darf ich blei- ben? So gesehen war der Testmarathon mit unseren erwachsenen und verantwortungsbewussten Studierenden si- cher eine vergleichsweise leichte Übung. Siebene auf einen Streich! Kaum war den Abschlussklassen wieder die Präsenz an der Schule gestattet, ging es auch schon an einen wahren Marathon im Abarbeiten ausstehender Leistungsnach- weise. Und wie das tapfere Schneiderlein im Märchen konn- ten unsere Studierenden bald ein Lied von ihrer heldenhaften Leistung singen: 1. Bin das tapf’re Schreiberlein, ziehe in die Schul’ hinein. Seht mich an! Was ich kann! Wer mich sieht, der sagt sogleich: „Siebene auf einen Streich!“ 2. Klausuren machen viel Verdruss, bald schon ist der Notenschluss. Motiviert, hab’s kapiert! Meine Birne ist schon weich: „Siebene auf einen Streich!“ 3. Und im Padlet tief versteckt, hab’ die Aufgab’ ich ent- deckt. Früh um acht, dran gemacht, erledige ich alles gleich: „Siebene auf einen Streich!“ 4. Ist der Abschluss dann der Lohn, sitz’ ich auf dem Königsthron. Überall Jubelschall! „Dieses Jahr, ohn’ Vergleich war es wohl ein Wahnsinns-Streich!“ Vor nicht allzu langer Zeit in einem nicht allzu fernen Land, da begab es sich, dass Aladin, ein junger Taugenichts, eine mit kostbarsten Schätzen voll gefüllte Höhle betrat. Als fremdartiges Prunkstück entpuppte sich eine Wunderlampe. Doch nicht alles, was Gold ist, glänzt, und so rieb er daran … An dieser Stelle kann leider nur von mangelhaften Erfolgen berichtet werden. Dschinn, der Flaschengeist, den Aladin heraufbeschwor, war wirklich eine Enttäuschung. „Ich bin jetzt dein Meister“, so sprach Aladin zum Geist der Flasche. Der aber entgegnete unwirsch: „Ich bin in Quarantäne hier, wie ist die Inzidenz bei dir? AHA-Regel, die kenn’ ich nicht, ich bin auf PCR erpicht! Bist du mein Meister, Aladin? Ich wollt zum RKI jetzt hin!“ Oh, schnell den Deckel zugemacht. Aladin versuchte also ein zweites Mal, intensiv die Wunderlampe zu beschwören: „Ich bin dein Meister!“ Erneut zeigte sich der Flaschengeist mit ungewöhnlicher Kunde: „BioNTech und Moderna und auch Astra Zeneca sind jetzt bald zum Impfen da! Vulnerabel wird’s passabel … steh’n die Menschen auf dem Kabel. Nein, es heißt ja: ‚auf dem Schlauch, na egal, da steh’n sie auch!“ Wieder schnell den Deckel zugemacht. Einmal noch wollte sich Aladin bemühen, der Wunderlampe den wahren Geist zu entlocken … „Ich bin dein Meister!“, beschwor er zum letzten Mal den Flaschengeist als Wunscherfüller. Erneut erschien das Zau- berwesen und fabulierte: „Den Test mach’ ich zum Fest! Ob gurgeln, spucken, Nase oder Rachen – lasst uns einen Abstrich machen! Antikörper, Antigene … achtet stets auf die Hygiene! Gern auch mal ein PCR-Test … testet, was sich testen lässt!“ Aladin, der alter Meister, entschied daraufhin, Dschinn besser in der Flasche zu belassen. Und ohne Gin, dafür mit viel Hoffnung, begab er sich in sein Zelt zur Abendruhe. Susanne Pelikan

Homeschooling Fachakademie der Schulstiftung Seligenthal Jahresbericht 2020/21 29 Gedanken zur Digitalisierung von Unterricht Mit einem einfachen „Gut oder Schlecht“ ist es bei diesem Thema nicht getan letztes Jahr klar geworden, als ich krankheitsbedingt auf Krücken ange- wiesen, aber pandemiebedingt bereits im Homeoffice war. Nur durch Online- Lehre war es mir im kopfsteingepflas- terten Eichstätt überhaupt möglich, meine Kurse durchzuführen. Eine hy- bride Veranstaltungsform, bei der die Technik ein reibungsloses Zuhören und Teilnehmen ermöglicht, war in diesem Kontext eine echte Bereicherung. Das vergangene Schuljahr war si- cherlich eine Zäsur, die vieles hinter- fragt und nachhaltig verändern wird. War es das jetzt wert? Zu diesem ho- hen Preis sicher nicht! Aber machen wir nach dieser Zeit des Mangels an menschlichem Kontakt, in dieser Krise das Menschlichste, was Menschen überhaupt tun: Gestalten wir, verän- dern wir und nutzen wir die Möglich- keiten, die sich uns durch Herausfor- derungen bieten. Machen wir uns die Technik zu unserem Zwecke, zu unse- rer Bereicherung zu Diensten! Johanna Horst Praktisches Tun vor laufender Kame- ra im Unterricht von Gerlinde Seitz Das Schuljahr 2020/21 hat uns einen Vorgeschmack auf das gegeben, was auch nach dem Ende der pandemiebedingten Einschränkungen unseren Unter- richtsalltag prägen wird. Es sind all die Tools, Apps, Chats und Vi- deokonferenzen, all die digitalen Lernmöglichkeiten, die wir uns unter dem Druck der Ereignisse so geschwind angeeignet haben. Da lohnt sich eine erste Zwischen- bilanz. Wir fragen uns: Was kön- nen digitale Werkzeuge, was kann Distanzunterricht leisten, was im herkömmlichen Präsenz- unterricht in dieser Form nicht geht? Und wir wollen wissen: An welchem Punkt stößt insbe- sondere der Distanzunterricht an seine Grenzen? Warum geht es letztlich nicht ohne Klassen- zimmer? Johanna Horst und Dr. Udo Schreyer haben sich Ge- danken dazu gemacht: Wir sind uns vermutlich alle einig, dass der Mensch als soziales Wesen nicht ohne Miteinander aus- kommt und niemand den Unterricht komplett und ausschließlich online ab- halten möchte. Aber digitale Tools und Formate haben auch ihre Vorteile, die wir nutzen können. Die Arbeit mit digitalen Materialien, ob jetzt tatsächlich in einem Online- Lernsetting oder auch gemeinsam in der Klasse am Whiteboard, ist so viel- seitig. Es gibt keine physischen Be- grenzungen, keine Buchseiten, die den Platz limitieren, stattdessen eine Viel- falt an Darstellungs- und Beteiligungs- formen. In Bilder kann beliebig hinein- gezoomt, eine Karte vergrößert und ein Originaltext mit Zusatzinformationen oder Lesehilfen und seitens der Stu- dierenden mit eigenen Notizen an- gereichert werden. Audio- und Video- sequenzen geben ganz andere Ein- blicke, und mit ihren eigenen Endge- räten können Studierende interaktiv werden, Abstimmungen ausfüllen, Feedback geben oder direkt erhalten, Wortwolken bilden und letztlich viele Informationen schnell nachschlagen. Ich sehe das als Chance, die Fächer, für die wir brennen, anschaulich auf- zubereiten und für sie zu begeistern. Ein weiterer großer Vorteil für mich als Einsteigerin war die vereinfachte Organisation durch digitale Ablage, die mitunter auch reibungslosere Abläufe ermöglicht. Da sehe ich viel Potenzial. Anstatt Punkte zu addieren, berechnet sie der Computer. Eine räumlich unge- bundene Notenablage wäre denkbar, Feedback zu den Arbeiten einzelner Studierender, z. B. durch kurze Sprach- kommentare, kann individuell erfolgen, ohne dass dabei der Aufwand exorbi- tant wächst. Statt eines Fehlerzeichens oder einer kurzen Positivkorrektur könnte ich so in meinem Fach Englisch gleich kleine Erklärungen anschließen und hätte obendrein noch die Ausspra- che mit geübt. Eine so differenzierte Korrektur handschriftlich am Rand würde analog den Rahmen sprengen, ist digital aber leicht umsetzbar. Nicht zuletzt hat Digitalität ein hohes inklusorisches Potenzial, denn Hilfs- und Zusatzmittel oder überhaupt die Teilnahme sind möglich, auch wenn Einschränkungen vorliegen. Das ist mir

Wir haben viel gutzumachen Junge Menschen brauchen mehr als nur Wissensvermittlung Krisen, ob persönliche oder gesell- schaftliche, fordern uns Menschen heraus. Sie zeigen auf, was in einem System nicht mehr funktioniert und was dringend geändert werden muss. Erfolgreich gemeisterte Kri- sen sichern Wachstum. Nicht anders verhält es sich mit der Corona-Krise und der Schule. Kinder und Jugendliche hatten un- ter der Pandemie besonders zu leiden, ihre Interessen und Bedürfnisse wurden vernachlässigt – auch was die Schule betraf. Man sah sie nicht als Menschen, die ihre Freunde, Klassen und Lehrkräfte vermissen, sondern reduzierte sie auf eine Rolle als Schü- ler*innen, denen wichtiges Wissen und relevante Kompetenzen für ihre spätere berufliche Zukunft fehlen. Na- hezu alle Programme, die die Politik derzeit auflegt, beschäftigen sich mit der Frage, wie Wissensdefizite ausge- glichen und Bildungsungleichheiten beseitigt werden können. Aber Schule ist doch keine reine Unterrichtsanstalt mehr, die Wissen zu vermitteln hat. Laut einer Studie der TUI-Stiftung freuen sich fast 70 Pro- zent der Schüler*innen darauf, ihre Freund*innen an der Schule zu sehen, nur 23 Prozent gehen in die Schule, um zu lernen. Schule ist der Ort für soziale Interaktion und sozioemotionale Entwicklung, sie legt den Grundstein für den Erhalt unserer Demokratie. Die Corona-Krise hat im Grundsatz gezeigt, dass unser Schulsystem immer noch nicht modernen bildungstheoretischen Ansprüchen genügt und Schüler*innen immer noch nicht in ihrem Mensch- SEIN in den Mittelpunkt stellt. Insofern stellt das letzte Schuljahr eine echte Zäsur, einen Weckruf dar. Natürlich ist es wünschenswert und ein Gewinn für die tägliche Arbeit an den Schulen, die digitale und die di- daktische Infrastruktur im Bildungsbe- reich massiv aufzurüsten, durch Tests Lerndefizite zu identifizieren und indi- viduelle Lernförderangebote zu unter- breiten. Aber das kann doch längst nicht alles sein. Was wir auch und noch mehr brauchen, sind Unterstützungs- angebote zur Förderung der sozioemo- tionalen Entwicklung, Schulsozialar- beit, Schulpsychologie und Angebote der Kinder- und Jugendhilfe. Genauso wichtig sind jetzt tägliche Bewegungs- angebote und die Förderung eines gesunden Lebensstils in Kitas und Schulen. Und wir brauchen Aufmerk- samkeit und Achtsamkeit für die Kin- der und Jugendlichen, bei denen die Pandemie zu einer Verschlechterung des Wohlbefindens und der Lebens- qualität sowie zu einer Zunahme psy- Die Comics entstanden im Kunstunterricht bei Annegret Hoch zum Thema „Mein Jahr mit Corona“ (v. l. n. r.): Franziska Gürtler (F 1a), Lena Zöttl, Lisa Hermann, Nina Wenner (alle drei F 1b) chosomatischer und psychischer Auf- fälligkeiten geführt hat. Wir haben viel gutzumachen an unseren Kindern und Jugendlichen in den nächsten Jahren. Die Fachakade- mie steht hier vor zwei großen Aufga- ben: Auf der einen Seite benötigen auch unsere Auszubildenden einen Rahmen, in dem sie ihre schulischen Corona-Erfahrungen verarbeiten kön- nen. Auf der anderen Seite müssen wir sie befähigen, ihren Beruf vor dem Hin- tergrund der Folgeerscheinungen von Corona professionell auszuüben. Es wäre fatal, wenn man in der Überzeu- gung arbeiten würde, dass es doch auch so geht. Die Möglichkeiten dazu haben wir, das ist der Vorteil einer beruflichen Schule, die im Kern einen ganzheitlichen Bildungsgedanken ver- tritt, wo Psychologie, Deutsch und Englisch gleichberechtigt neben Kunst, Musik, Werken und Sport koexistieren. Und es gibt ein „sur plus“: Als kirchli- che Schule haben wir uns dem christ- lichen Menschenbild verpflichtet, das den jeweiligen Menschen in den Mittel- punkt stellt. Wenn es uns nur ein klein wenig gelingt, davon zu leben, dann haben wir schon viel erreicht. Frère Roger (Taizé) sagt: „Lebe das, was du vom Evangelium begriffen hast, und sei es noch so wenig.“ Dr. Stefan Brembeck, Schulleiter

Off the Walls – Kunst nachstellen Carina Bergmoser, F 2a Jean-Honoré Fragonard „Die junge Leserin“ (1770) Walls – und zu Hause nachzustellen. Im Kunstunterricht von Annegret Hoch folgten Studierende der F 2 dieser Einladung – mit eindrucksvollen Ergebnissen.

Off the Walls – Kunst nachstellen Kathrin Neumair, F 2c Caspar David Friedrich „Der Wanderer über dem Nebelmeer“ (um 1818) Selina Hubauer, F 2c „Nofretete“ (zwischen 1353 und 1336 v. Chr.)

Off the Walls – Kunst nachstellen Anna Gaulinger, F 2a Edvard Munch „Der Schrei“ (1893)

Aus der Praxis seiner Höhle, welche auch noch gut zu sehen war, weiterzuarbeiten. Das war eine weitere Bestätigung dafür, dass ich mich beruflich auf dem richti- gen Weg befinde. Franziska Summerer, SPS 2b Es ist März. Die Pandemie hat uns noch voll im Griff. Ich stehe im Gar- ten des Kinderhauses und beobachte die Hortkinder, wie sie trotz der Ein- schränkungen toben, lachen und mit- einander agieren. Diese Woche darf ich einmal Hortluft schnuppern und meine Kolleginnen dort unterstützen. Es ist ein schönes Gefühl. Nebenan höre ich das vertraute Geräusch der Krippenkinder meiner Gruppe. Wie sie lachen, quietschen und schreien. „Was sie wohl heute schon erlebt haben?“, frage ich mich und schiele dabei hinü- ber in den Garten. Ich entdecke meine Kolleginnen und die Kinder, wie sie im Sand spielen, schaukeln und mit den Bobby Cars über die Wege düsen. Es ist ein Gefühl der Leichtigkeit, das mich dabei durchströmt. Gerade möchte ich mich wieder den größeren Kinder widmen, eine Re- vanche „Skippo“ steht noch an, da sehe ich links neben mir einen strahlend gelben Löwenzahn, umschlingt von ei- ner kleinen Kinderhand, die mir entge- gengestreckt wird. „Da!“, höre ich und dazu ein leises Glucksen und Kichern. Ich muss lächeln, blicke auf und sehe in zwei strahlende Kinderaugen. Es ist Kilian. Der fast Zweijährige aus meiner Krippengruppe steht hinter dem Zaun im Garten der Krippe und blickt mich mit großen Augen an. „Für mich?“, sage ich und bücke mich zu ihm hinun- ter. Er nickt ganz aufgeregt und streckt mir seine selbst gepflückte Blume nä- her entgegen. „Danke, Kilian!“, sage ich, lächle und nehme die Blume an Fachakademie der Schulstiftung Seligenthal Jahresbericht 2020/21 39 Zeichnen mit Nadel und Faden: Die Werke entstanden im Kunstunterricht bei Annegret Hoch zum Thema „Selbstporträt, gestickt“ (v. o. n. u.): Christina Sax, Nina Wenner (beide F 1b) mich. Er sieht mich strahlend an und läuft kurz darauf los zur Wiese, bückt sich, pflückt eine weitere und läuft mit einem noch breiteren Grinsen zu mir herüber. Auch diese nehme ich freudig entgegen. Als ich sie in meiner Hand spüre, höre ich andere kleine Schritte auf mich zukommen. Sie gehören zu Janosch und Elisa, die mir ebenfalls lachend und mit Löwenzahn in der Hand entgegenlaufen. „Sie vermissen dich schon!“, höre ich in diesem Au- genblick meine Kollegin sagen. „Und wir dich auch“, fügt sie mit einem Lä- cheln hinzu. „Claraaa!“, werde ich im gleichen Moment von den Hortkindern gerufen. Ich werde wohl auch dort gebraucht. In diesem Moment weiß ich: Ich bin hier genau richtig. Ange- kommen in meinem Wunschberuf Erzieherin. Clara Lepschy, OptiPrax Wieso tust du dir das an?“ – „Du „ lernst doch eh nichts auf deiner Schule!“ – „Selbst schuld, dass du fast kein Geld verdienst.“ – „Du bist doch bloß Praktikantin.“ – „Sicher, dass du das für den Rest deines Lebens ma- chen willst?“ Das sind alles Sätze, die ich schon mehr als einmal zu hören bekommen habe. Sätze, mit denen man als Er- zieherpraktikantin konfrontiert wird. Sätze, die einem zeigen, dass man als Erzieherin offenbar einen geringeren Stellenwert hat. Sätze, die auch verlet- zen können. Mein Praktikum im ersten Vollzeit- jahr durfte ich in der SVE der Pestaloz- zischule, einer Schule für Kinder mit einem hohe Förderbedarf im Bereich geistige Entwicklung, machen. Anfangs hatte ich viele Zweifel, ob ich mich dort zurechtfinden kann. Zweifel, ob ich mich für die richtige Praktikumsstelle entschieden habe. Und auch ein wenig

Warum nur Jil Sander und Karl Lagerfeld? Die innovativen Entwürfe unserer Nachwuchs- Designerinnen mit Fokus auf Muster- und Materialmix entstanden im Kunstunterricht bei Annegret Hoch und können mit den Großen der Branche locker mithalten (im Uhrzeigersinn v. l. o.): Amelie Grünberger, Rona Wiedemann, Franziska Gürtler (Paar), Luisa Parlato (Paar), Lilly Greg (alle F 1a)

Begriffe versenken Was hindert uns daran, unseren Kindern die Zeit zu geben, die sie brauchen, um sich von pandemiebe- dingten Belastungen zu erholen und in Ruhe einen Lernfortschritt nach dem anderen zu machen? Was hindert uns daran, die Krise als Chance zu nutzen, Lehrpläne zu entrümpeln und uns vom Diktat der frühen Auslese zu befreien, das unser Schulsystem schon so lange Zeit mehr belastet als belebt? Fangen wir doch jetzt damit an, in- dem wir als Erstes den Begriff „Lern- rückstände“ ein für alle Mal in der Ver- senkung verschwinden lassen und uns über alle Lernfortschritte freuen! Elisabeth Strasser MUSIKALISCH SEIN Inzwischen existieren so viele Deutun- gen des Begriffes „musikalisch sein“. Sie alle haben großen Einfluss auf die Auseinandersetzung des Einzelnen mit Musik. Meist wird durch sehr ober- flächliche Betrachtung und leider auch aufgrund negativer Rückmeldungen aus der Umwelt schnell der Schluss gezogen, dass man keine musikali- schen Fähigkeiten besitzt und zum aktiven Musizieren nicht geeignet ist. Ich bin davon überzeugt, dass jeder Mensch Anlagen in sich trägt, sich auf Musik aktiv einlassen zu können. Un- terschiedlich nach Bedürfnissen, Er- fahrungen und Motivation kann sich je- der in für ihn angemessenen Schritten und Ausdrucksweisen der Musik zu- wenden. In diesem Sinne möchte ich den Begriff „musikalisch sein“ erset- zen durch die Vorstellung, dass jeder Mensch „von Musik berührbar“ ist. Ursula Jänich SAUBERKEITSERZIEHUNG Ich plädiere dafür, den Begriff Sauber- keitserziehung in der Versenkung ver- schwinden zu lassen und stattdessen von Windelfreiheit zu sprechen. Der Begriff „windel-frei“ drückt – im Unter- schied zum Begriff „Sauberkeitserzie- hung“ – eine positive Entwicklung des Kindes aus. Er zeigt, dass es einen wichtigen Entwicklungsschritt gemeis- tert hat. Die Formulierung „sauber sein“ beinhaltet die negativ besetzte Bedeutung von „vorher schmutzig ge- wesen sein“. Gerlinde Seitz Endlich Vorschulkind … endlich groß sein … endlich hinter das Geheimnis kommen, das hinter verschlossenen Türen immer nur den Großen vorbe- halten ist … endlich auch lesen und schreiben lernen dürfen! VORSCHULKIND Abgesehen davon, dass man da- rüber nachdenken sollte, warum das Leben ausgerechnet in eine Phase vor der Schule, die Schulzeit und dann – endlich! – das richtige (?) Leben nach der Schule eingeteilt wird, greift der Begriff „Vorschulkind“, üblicherweise angewandt für Kinder im letzten Kin- dergartenjahr vor dem Eintritt in die Schule, viel zu kurz. Denn alles, wirk- lich alles, was Kinder bis zu ihrem ers- ten Schultag an Literacy-Kompetenzen erwerben, wird sie auf ihrem Weg ins selbstständige Lernen unterstützen. Lesen und Schreiben beginnt nicht erst mit Schwungübungen auf vorge- fertigten „Vorschul“-Übungsblättern Fachakademie der Schulstiftung Seligenthal Jahresbericht 2020/21 43 für Fünf- bis Sechsjährige (im Gegen- teil – für viele hört es damit eher wie- der auf), sondern mit aufmerksamen Begleitern, die das Interesse der Kin- der, sich mündlich und schriftlich mit- teilen zu wollen, von Anfang an wahr- nehmen, sie positiv bestärken und auf ihrem Weg (in der „Schule des Lebens“) ideenreich und unermüdlich unterstützen. Helga Peterz Der Autobauer Audi ist vorsichtig opti- mistisch, die Gesundheitsexperten sind es, auch die Gastronomen. Sogar der US-Notenbankchef Jerome Powell ist „vorsichtig optimistisch“. VORSICHTIG OPTIMISTISCH Seit der Corona-Pandemie wird dieser Begriff so inflationär gebraucht, dass man sich wundert, wie man es vorher wagen konnte, einfach nur „op- timistisch“ zu sein. Mich erinnert es an den bayerischen Spruch: „I sog ned so und i sog a ned so, ned dass irgendje- mand sogn kunt, i sog so oder so …“ Ich bin jedenfalls optimistisch, dass Kinder und Jugendliche auch gestärkt aus der Corona-Krise kommen können. Ich höre von Jugendlichen, die nicht mehr „Fortnite“ (ein Kooperations-Sur- vival-Shooterspiel) spielen, weil sie ihre kostbare Zeit nicht mehr stundenlang vor dem Bildschirm verbringen wollen. Sie gehen lieber ins Schwimmbad oder an den Baggersee, um Freunde zu tref- fen. Sie erkennen den Wert des echten sozialen Kontaktes wieder und ver- nachlässigen in der Freizeit die virtu- elle Welt. Ist das nicht wunderbar? Wir sollten in der kommenden Zeit nicht „vorsichtig optimistisch“ sein, sondern vorsichtig und optimistisch. Sabine Meyer

Bye-bye, SPS! Angelika Pickal war ab 1993 zunächst Seminarleitung, spä- ter dann Koordinatorin des SPS und hat seine Entwicklung ent- scheidend mitgeprägt Die Einführung der Kinderpflegeprüfung brachte es mit sich, dass das SPS von Anfang an eine deutlich stärkere schulische Ausrichtung hatte als das Vorprakti- kum. Es waren nun zum Beispiel benotete Leis- tungsnachweise gefordert, die es im Vorpraktikum nicht gegeben hatte. Am Ende der zwei Jahre mussten eine fachtheoretische und eine praktische Prüfung durchgeführt werden. Außer- dem sind zunehmend mehr junge Menschen nach der Kinderpflegeprü- fung aus der Ausbildung ausgestiegen, da sie ja schon einen ersten Berufsab- schluss in der Tasche hatten. Du hattest bei der Einführung des SPS viele Gestaltungsspielräume. Wie hast du sie – zusammen mit den Kolleg*innen der ersten Stunde – genutzt? In erster Linie für den Ausbau der Qua- lität der Praxisbetreuung. Vor der Ein- führung des SPS hat sie bei Weitem nicht in diesem Umfang stattgefunden. Wir haben die Praxisbesuche vor Ort eingeführt, auch die Anleiter*innen- treffen mit und ohne Praktikant*innen an der Schule bzw. in den unterschied- lichen Einrichtungen. Dann haben wir den Praxisrat ins Leben gerufen, mit dem wir mehrere Fortbildungstage für Anleiter*innen organisiert und angebo- ten haben. Uns ging es darum, die Zu- sammenarbeit mit den sozialpädagogi- Fachakademie der Schulstiftung Seligenthal Jahresbericht 2020/21 45 schen Einrichtungen immer weiter zu verbes- sern und so die Qualität der Ausbildung zu för- dern und möglichst hoch zu halten. Wenn man Kolleg*innen oder Praktikant*innen von früher erzählen hört, dann kommen sie fast immer auf Thalhausen und Regen zu sprechen. Da ist dann immer auch gleich ganz viel gute Laune im Raum. Kannst du uns ein bisschen er- zählen, was es mit Thalhausen und Re- gen auf sich hatte? Da wir in den Anfängen des SPS eine sehr kleine Schule waren, war es mög- lich, dass wir die Blockwochen außer- halb durchführen konnten. So sind wir mit dem SPS 1 immer für ein paar Tage nach Thalhausen gefahren und mit dem SPS 2 nach Regen. Mit allen Lehr- kräften und allen Praktikant*innen. Wir waren Tag und Nacht zusammen und haben zusammen gegessen, gespielt, gelernt, uns unterhalten und auseinandergesetzt, Sport und Musik ge- macht. Ich erinnere mich noch gerne an den Mor- genlauf mit Frau Berner und vielen tapferen Läu- fer*innen. Das Schöne war, dass es sehr per- sönlich war. Das begann schon beim Frühstück; die einen sind Morgen- muffel, die anderen Frühaufsteher … Julia, wenn du Angelika so aus den frühen Jahren des SPS erzählen hörst: Was hat sich nach deinem Eindruck seither verändert? Und umgekehrt: Was ist vielleicht immer noch so wie früher? Julia Gehrig: Da fällt mir als Erstes auf, dass sich durch die Erweiterung der Fachakademie und durch die mitt- lerweile hohen Schülerzahlen dieser persönliche Kontakt stark verändert hat. Leider ist das heute nicht mehr in dieser Weise möglich; mit 200 SPS- Praktikant*innen können wir zum Bei- spiel nicht so einfach in ein Bildungs- haus fahren. Aber wir haben andere Möglichkeiten gefunden, einen persön- lichen Austausch zu ermöglichen und der Ausbildung in Seligenthal noch eine persönliche Note zu verleihen. Kannst du das an ein paar Beispielen deutlich machen? In den letzten Jahren haben wir das Schuljahr im SPS immer mit einem „Talk to start“ begonnen und einem „Talk to go“ beendet. Die Praktikan- t*innen des SPS 2 gingen bei diesen Veranstaltungen in das direkte persön- liche Gespräch mit den Berufseinstei- ger*innen des SPS 1. Sie berichteten ihnen von den Abläufen und Anforderungen in der Praxis und an der Schule, von ihren per- sönlichen Erfahrungen, und begleiteten sie auf diese Weise gut hinein Julia Gehrig hat im Herbst 2017 die Ko- ordination des SPS übernommen und wird ab dem kommenden Schuljahr auch für das neue Sozialpädagogi- sche Einführungsjahr SEJ zuständig sein

Bye-bye, SPS! Fachakademie der Schulstiftung Seligenthal Jahresbericht 2020/21 47 Mit Ende des Schuljahres 2020/21 geht eine Ära zu Ende – die Ära des Sozialpädagogischen Seminars, kurz und liebevoll SPS genannt. Es ist die Ära eines alten Hasen … nein! Es ist die Ära einer großen alten Dame, der in Sachen Erzieherausbildung so leicht keiner was vormacht! Hat sie doch in 28 Jahren Wirkungszeit hier an unserer Fachakademie alles gegeben, um die jun- gen Erzieherpraktikant*innen auf ihren Weg zu bringen, sie praktisch zu rüsten, theoretisch zu unterweisen und persönlich zu stärken. Das alles mit Herzblut und aus der Überzeugung heraus, dass der schönste Beruf der Welt nur erlernt werden kann, wenn Zeit zum Reifen gegeben ist, wenn intensive, sorgfältig begleitete Praxiserfahrungen möglich sind. Nun heißt es also Ab- schied nehmen von dieser großen alten Dame und ihr für ihren Ruhestand unsere besten Wünsche mit auf den Weg zu geben! Elisabeth Strasser

BP-Entlassfeier Fachakademie der Schulstiftung Seligenthal Jahresbericht 2020/21 51 trauen, den sie gemeinsam mit den Lehrkräften und Praxisanleitungen so sorgfältig gefüllt haben. Wie es ihnen dabei ergangen ist, was sie alles vorgesetzt bekamen und zu schlucken hatten, zeigten die Teil- nehmer*innen des Übungsfaches Darstellendes Spiel (Leitung: Susan- ne Pelikan) in ihrem höchst vergnüg- lichen Theaterstück „Die wunderbare Wandlung“. Sehnsucht nach mehr weckte zudem der Chor (Leitung: Ursula Jänich) mit seinem herzerfri- schenden Gesang zu Beginn und zum Ende der Feier. Eva Keil, Laura Pittoni, Monika Vilsmaier, Ramona Fischer, Leni Limmer, Cornelia Selmaier, Harald Weigel, Vanessa Töpert, Elena Panjan, und Jane Sophie Ringelstetter wurden für ihre herausragenden Leistungen besonders gewürdigt (v. l.) Schulleiter Dr. Stefan Brembeck betont in seiner Ansprache die Bedeutung des Spiels So freuen wir uns nun alle auf eine Zeit, in der das gemeinsame Spielen und Singen wieder zur großen Selbst- verständlichkeit wird, ob bei uns an der Fachakademie oder draußen in der Praxis. Unseren scheidenden Absol- vent*innen wünschen wir dafür von Herzen alles Gute und Gottes Segen! Elisabeth Strasser Bilder u.: Studierende des Übungs- faches Darstellendes Spiel zeigen mit humorvollem Augenzwinkern in einer auf ihre Ausbildung zuge- schnittenen Version des Bilderbuch- Klassikers „Die kleine Raupe Nim- mersatt“ die wunderbare Wandlung von der wissenshungrigen Raupe zum fertigen Schmetterling

Abschied Fachakademie der Schulstiftung Seligenthal Jahresbericht 2020/21 53 Ein geglücktes Intermezzo Alina Borger übernimmt die Hortleitung in Seligenthal grund verschiedener Umstände ihren Dienst nicht antreten konnte. Gerade sagte mir die fünfte Lehrkraft ab, da öffnete sich die Bürotür, und Alina Bor- ger, damals stellvertretende Hortlei- tung in Seligenthal, betrat den Raum, schaute mich an und fragte, warum ich so trübselig schauen würde. Ich erzählte ihr von der Problemlage, und wie durch eine Eingebung fragte ich Alina, ob sie Lust hätte, diese Aufgabe zu übernehmen. Und das war das Wunder: Alina sagte nach kurzer Bedenkzeit zu, die Regierung gab ihren Segen, und wir hatten für unsere besondere SPS-2e- Klasse eine ganz „wunder“bare Klas- senleiterin gefunden. Alina Borger fand sich sofort in ihre Aufgaben ein und un- terrichtete, als habe sie noch nie etwas anderes getan. Es ist sicher ihr zu ver- danken, dass die Kursteilnehmerinnen, fast ausnahmslos Frauen mit Migrati- onshintergrund und den damit verbun- denen Problemlagen, ihre Ausbildung zur Kinderpflegerin erfolgreich been- den konnten. Wir hätten Alina Borger gerne wei- ter bei uns, am liebsten gleich als Voll- zeitlehrkraft, behalten. Nun wünschen wir ihr für ihre Aufgabe als neue Hort- leitung in Seligenthal alles Gute und freuen uns auf die weitere einrich- tungsübergreifende Zusammenarbeit. Dr. Stefan Brembeck, Schulleiter Wunder gibt es nicht? Doch, es gibt sie sehr wohl, die großen und die kleinen Wunder des Alltags! Ein solches Wunder durften wir mit Alina Borger erleben, die uns ab No- vember als Klassenleitung und Lehr- kraft für das Fach Praxis- und Metho- denlehre im SPS 2e aushalf. Es war wie verhext heuer. Viermal musste ich der SPS 2e mitteilen, dass die angedachte Klassenleitung auf-